Als Karina Pešatová 2021 aus der Karenz zurückkehrte, fiel ihr auf, wie wenige Frauen im High-Performance Computing (HPC) sichtbar waren. Um dies zu ändern gründete sie 2024 das Central European Chapter der globalen Initiative Women in HPC. Im Interview mit Bettina Benesch erzählt sie, wie Konferenzen, Comics und Community die Vielfalt im HPC stärken können – und warum es sich lohnt, die Extra-Meile zu gehen, um Frauen auf die Bühne zu bringen.
Eines der größten Probleme ist Sichtbarkeit. Es gibt zu wenige Frauen im HPC, und das hat einen Dominoeffekt: Wenn junge Mädchen keine Frauen in diesen Rollen sehen, entsteht leicht der Eindruck, dass HPC nichts für Frauen ist oder dass Frauen in der Branche nicht erfolgreich sein können. Der Mangel an Vorbildern kann sie davon abhalten, es überhaupt zu versuchen.
Dabei ist eine höhere Frauenquote kein Selbstzweck: Die Anzahl der Frauen im HPC beeinflusst auch die Qualität der Wissenschaft. Wenn Forschungsteams nicht divers sind oder wenn KI-Modelle auf verzerrten, nicht-inklusiven Datensätzen trainiert werden, entstehen Werkzeuge und Systeme, die nur für einen Teil der Bevölkerung funktionieren. Ohne die Perspektive von Frauen entwickeln wir keine effektiven oder inklusiven Lösungen. Deshalb ist es so wichtig, dass mehr Frauen eingebunden sind – nicht nur in der Anwendung von HPC, sondern auch bei dem Gestalten der Zukunft von HPC. Unterschiedliche Perspektiven führen zu besserer Forschung, besserem Design – und letztlich zu besseren Ergebnissen für alle.
Das war ein längerer Prozess. Ich bin 2012 in Tschechien in die HPC-Welt eingestiegen. Ich wusste damals schon, dass es Women in HPC gibt, war jedoch nicht besonders aktiv. 2019 ging ich in Karenz, und als ich 2021 zurückkam, habe ich begonnen, mich stärker mit den Themen Gender Balance und Inklusion zu befassen. Mir wurde immer klarer, wie unterrepräsentiert Frauen im HPC sind und wie viel Arbeit noch vor uns liegt.
Etwa zur gleichen Zeit habe ich herausgefunden, dass Tschechien innerhalb der EU zu den Ländern mit dem niedrigsten Frauenanteil in der IT zählt. Also habe ich mir überlegt, wie wir die Situation verbessern könnten. Nach der ISC 2024* habe ich unseren Direktor, Vít Vondrák, auf eine mögliche Beteiligung an Women in HPC angesprochen, und er war sehr unterstützend. Die Tschechische Republik ist relativ klein, also habe ich Kolleg:innen aus Österreich, Slowenien und Polen gefragt, ob sie das Chapter mitgründen möchten. Es gab ein klares JA und so haben wir 2024 offiziell das Central European Chapter von Women in HPC gegründet. Seit 2025 sind auch die Slowakei und Ungarn dabei.
Meine Rolle ist es, Frauen im HPC sichtbar zu machen. Wenn sie nicht auf der Bühne stehen, keine Führungsrollen übernehmen oder in Expert:innenpanels vertreten sind, nehmen Menschen unbewusst an, dass sie dort nicht hingehören. Ich versuche, Räume zu schaffen, in denen Frauen gesehen und gehört werden.
Gleichzeitig möchte ich die nächste Generation von HPC-Fachleuten unterstützen, besonders junge Frauen und Studierende, wenn sie in diese technischen Communities hineinwachsen. Es ist manchmal schwer, seinen Platz zu finden oder sich zugehörig zu fühlen. Durch Women in HPC wollen wir ein unterstützendes Netzwerk aufbauen, in dem Menschen einander fördern, statt zu konkurrieren. Wir feiern die Erfolge der anderen, teilen Chancen und sprechen offen über die Herausforderungen, denen wir begegnen.
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Durch Women in HPC wollen wir ein unterstützendes Netzwerk aufbauen, in dem Menschen einander fördern, statt zu konkurrieren. Wir feiern die Erfolge der anderen, teilen Chancen und sprechen offen über die Herausforderungen, denen wir begegnen.
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Hab keine Angst. Vergleiche dich nicht mit deinen männlichen Kollegen – du hast deine eigene Perspektive und deine Stärken, und die sind ein riesiger Vorteil. Wenn du für dieses Feld brennst, dann mach es einfach.
Die HPC-Community ist sehr offen. Ich habe so viele brillante Menschen getroffen, die gerne helfen, wenn sie merken, dass man lernbereit ist. Und viele unserer männlichen Kollegen sind ausgesprochen unterstützend, wenn es um Frauen in diesem Bereich geht. Ich muss hier unbedingt Brian Wylie vom Jülich Supercomputing Centre erwähnen, der entscheidend dazu beigetragen hat, dass ich mich stärker in die WHPC-Community eingebracht habe.
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Wir brauchen echte Unterstützung – nicht nur schöne Worte oder ein Häkchen in Projektanträgen. Gender Balance ist oft eine formale Anforderung in Projekten, aber es gibt keine Finanzierung für Maßnahmen, die tatsächlich Veränderung schaffen könnten.
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Wir brauchen echte Unterstützung – nicht nur schöne Worte oder ein Häkchen in Projektanträgen. Gender Balance ist oft eine formale Anforderung in Projekten, aber es gibt keine Finanzierung für Maßnahmen, die tatsächlich Veränderung schaffen könnten. Ein Beispiel: Bei der Rekrutierung für die akademische Fortbildung EUMaster4HPC werden wir nach Gender Balance bewertet, aber es bewerben sich hauptsächlich Männer. Junge Frauen sind kaum vertreten, und das können wir nicht von heute auf morgen ändern, ohne dabei ihre männlichen Peers zu benachteiligen.
Darum müssen wir viel früher ansetzen – schon in der Grundschule oder sogar im Kindergarten. Wenn die Studierenden an die Uni kommen, haben sich viele Mädchen bereits von MINT-Fächern abgewandt, weil sie sich dort nie repräsentiert gefühlt haben. Wenn wir echte Veränderung wollen, muss es mit früher Bildung und Sichtbarkeit beginnen. Daher haben wir ein Projekt namens Superheroes 4 Science ins Leben gerufen. Es ist ein Outreach-Programm, das Comics und Storytelling nutzt, um Kindern HPC, KI und Quantencomputing näherzubringen – auf spielerische, zugängliche und inklusive Weise. Zwei der Storyboards habe ich selbst gezeichnet. Als ich schon fünf oder sechs Panels fertig hatte, ist mir aufgefallen, dass mein Held wieder ein Junge war. Also habe ich neu gestartet – mit einem Mädchen als Heldin. Es ist wichtig, dass Mädchen Vorbilder haben und dass wir ihnen zeigen, dass sie jede Karriere einschlagen können, die sie wollen.
Wenn du in Mitteleuropa im HPC arbeitest – egal ob Frau oder Mann – freuen wir uns, wenn du dich bei WHPC engagierst. Und wenn du in einer Entscheidungsposition bist, zum Beispiel in einem Konferenzkomitee: Bitte mach dir die Mühe und lade qualifizierte Frauen als Sprecherinnen ein. Greife nicht auf die üblichen Verdächtigen zurück. Wenn du keine Frau findest, melde dich bei uns – wir helfen dir, die richtige Expertin zu finden.
Die Gründung des Central European Chapters von Women in HPC war einer der wichtigsten Meilensteine meiner Karriere. Damit haben wir gleichgesinnte Kolleg:innen in der Region zusammengebracht und jahrelange informelle Bemühungen um Inklusion, Sichtbarkeit und Unterstützung für Frauen in unserem Feld in eine klare Struktur gegossen. Diese Arbeit kulminierte bei der ISC 2025, wo ich die Ehre hatte, mehrere Birds-of-a-Feather-Sessions** mitzuorganisieren. Eine befasste sich mit dem Aufbau eines nachhaltigen HPC-Trainings-Ökosystems in Europa, eine andere mit zukünftigen Karriere- und Bildungswegen. Außerdem habe ich die Session Super(computing)heroes mitorganisiert, bei der inspirierende Frauen im HPC über ihre Wege, Herausforderungen und Motivationen berichtet haben. Das Gespräch war sehr kraftvoll und authentisch, hat das Publikum tief bewegt, und die Bedeutung sichtbarer Vorbilder ganz klar unterstrichen.
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Ich durfte die Session Super(computing)heroes mitorganisieren, bei der inspirierende Frauen im HPC über ihre Wege, Herausforderungen und Motivationen berichtet haben. Das Gespräch war sehr kraftvoll und authentisch, hat das Publikum tief bewegt, und die Bedeutung sichtbarer Vorbilder ganz klar unterstrichen.
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Darüber hinaus wurde ich eingeladen, bei der Jubiläumspanel-Diskussion 40 Years of ISC über Inklusion und Nachwuchsförderung zu sprechen. Und dann noch einer meiner stolzesten Momente: Meine junge Kollegin und Mentee Lucie Kavka hat ein Poster über unser Superheroes-4-Science-Projekt präsentiert. Es war ein echtes Highlight, zu erleben, wie selbstbewusst sie unsere Arbeit der internationalen Community vorstellt.
Supercomputing spielt eine zentrale Rolle in der modernen Forschung. Wenn wir dafür sorgen, dass an Hochleistungsrechenzentren Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenarbeiten, hat diese Vielfalt weitreichende Wirkung: inklusivere Produktdesigns, bessere Daten und repräsentativere Wissenschaft. Vielfältig zusammengesetzte Teams entwickeln in der Regel Lösungen, die der Mehrheit der Bevölkerung dienen – und nicht nur der Hälfte.
Karina Pešatová, MBA, leitet das Training am nationalen Supercomputing-Zentrum IT4Innovations in Tschechien. Sie begann 2012 in der Kommunikationsabteilung und stieg Schritt für Schritt zur Leiterin auf. Nach ihrer Karenz 2021 erhielt sie den Auftrag, die Trainingsabteilung aufzubauen, wo sie heute Bildungsangebote in High-Performance Computing (HPC), Künstlicher Intelligenz (KI) und Quantencomputing entwickelt. Innerhalb von nur 15 Monaten vervierfachte sie die Zahl der Trainingsveranstaltungen von IT4Innovations.
Karina ist Training Champion für EuroCC Czechia und wirkt an großen europäischen Initiativen wie EVITA (EuroHPC Virtual Training Academy) und EUMaster4HPC mit, um ein koordiniertes und zugängliches Trainings-Ökosystem in Europa aufzubauen.
Sie ist Gründerin und Leiterin des Central European Chapters von Women in HPC und setzt sich für Gender Balance, Sichtbarkeit und regionale Zusammenarbeit ein. Ihre Aktivitäten in der Öffentlichkeitsarbeit umfassen das Projekt Superheroes 4 Science, das Kinder mit Comics, Spielen und Storytelling für Advanced Computing begeistern soll.
Wer Mitglied des Central European Chapters von WHPC werden möchte, meldet sich hier an. Bitte wählen Sie die Checkbox “Central European (incl. centres in the Czech Republic, Poland, Austria, Slovenia, Slovakia, Hungary)”.
Wenn Sie Fragen zum zentral- und osteuropäischen WHPC-Netzwerk haben, schreiben Sie ein Mail an das regionale Team: ce.whpc@gmail.com.
Eines der wertvollsten Werkzeuge von WHPC ist das kostenlose Mentoring-Programm, das zwei- bis dreimal pro Jahr stattfindet. Hier können Sie sich für einen der nächsten freien Plätze anmelden.
WHPC auf LinkedIn (Durch das Folgen von WHPC auf LinkedIn entsteht keine Mitgliedschaft)
* ISC High Performance ist eine internationale Leitkonferenz im Bereich Supercomputing.
** Birds-of-a-Feather (BoF)-Sessions sind informelle Treffen auf Konferenzen, bei denen sich Menschen mit gemeinsamen Interessen zu einem Thema austauschen, Ideen diskutieren und Netzwerke aufbauen.