Niemand überlässt den Bau eines Kernkraftwerks dem Zufall. Daher sind die Regulatorien dafür so strikt wie in kaum einer anderen Branche. Ihnen zu entsprechen nimmt viel Zeit in Anspruch und verursacht hohe Kosten. Das italienische Start-up CAELUS will das ändern: Mit Hilfe von EuroCC Austria hat das Team das weltweit erste KI-Modell trainiert, das administrative und regulatorische Aufgaben übernimmt, und Techniker:innen so für ihre eigentlichen Aufgaben freispielt.
Bettina Benesch
Eine der größten Herausforderungen im Nuklearsektor ist, dass hochspezialisierte Fachkräfte wie Ingenieur:innen und Physiker:innen während der Projektentwicklung einen erheblichen Teil ihrer Zeit mit administrativen und regulatorischen Aufgaben verbringen müssen. Diese Arbeit ist notwendig – führt allerdings sehr häufig zu hoher Arbeitsbelastung und Stress, Verzögerungen im Projekt und zu erhöhten Kosten. Der Nuklear- und Energie-Ingenieur Alessio Iuvara beschloss 2023, diese Vorgehensweise zu ändern.
Er gründete das Start-up CAELUS, um KI-unterstützt viele essenzielle, aber zeitaufwendige regulatorische Prozesse und Dokumentationen zu automatisieren. So würden sich die Fachleute wieder auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können und Unternehmen sparten Zeit und Geld. Gleichzeitig war es Alessio ein Anliegen, seinen Teil zu den Klimaneutralitätszielen der EU beizutragen. Wir wissen: Die Europäische Union soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Für Alessio ist Kernkraft ein Weg dorthin.
Und sein Plan ging auf: Heute arbeitet er mit seinem 15-köpfigen Team an der Weiterentwicklung eines umfassenden KI-Werkzeugs mit verschiedenen Funktionen und Modulen. Ein Teil davon soll Ende 2025 in Europa veröffentlicht werden – und in den Monaten danach auch in anderen Ländern.
Es verarbeitet sämtliche Dokumente, wie Word-Dateien, Bilder oder Textformate, und verwandelt sie in nutzbare Daten,
optimiert das Nutzen von Ressourcen, indem es repetitive, ressourcenintensive Aufgaben automatisiert, und
überwacht das Einhalten von regulatorischen Fristen und die Datenverarbeitung,
gewährleistet mit einem eigenen Qualitätsmanagementansatz ein überdurchschnittliches Maß an Sicherheit (VV&Q = Verification, Validation & Quality Assurance).
Wir haben es schon erwähnt: Unzuverlässigkeit ist ein No-go in der Nuklearbranche. Aber wie baut man ein hochsicheres KI-Modell, wo doch jeder weiß, dass KI im Allgemeinen, und Large Language Modells (LLMs) im Besonderen, nicht zu den verlässlichsten digitalen Partnern gehören? Die Antwort klingt simpel – ist es aber nicht: Man baut sein eigenes Modell, das höchste Genauigkeit und nachvollziehbare Ergebnisse liefert. Dafür musste das Team drei große Herausforderungen meistern:
Herausforderung Nummer 1: Vertrauenswürdigkeit in einem regulierten Umfeld
Da die Nuklearbranche strengsten Regulierungen unterliegt müssen KI-Systeme höchste Genauigkeit und nachvollziehbare Ergebnisse liefern – herkömmliche LLMs sind dafür zu intransparent.
Die Lösung: Ein Multi-Agenten-System aus spezialisierten, feinjustierten Small Language Models (SLMs), jeweils trainiert auf spezifischen regulatorischen und technischen Datensätzen.
Herausforderung Nummer 2: Verifikation, Validierung und Qualitätssicherung (VV&Q)
Das KI-Tool umfasst mehrere Module mit unterschiedlichen Funktionen. Um sich zu 100 Prozent auf jeden dieser Einzelteile verlassen zu können, braucht es jeweils eine eigene VV&Q-Pipeline.
Die Lösung: CAELUS entwickelt diese Pipeline, die jeden Agenten im System laufend testet, validiert und überwacht.
Herausforderung Nummer 3: Unterschiedliche Anforderungen über Projektphasen hinweg
Ein Kernkraftwerk bringt in jeder Phase von Planung, Bau und Betrieb individuelle Herausforderungen. Diese Herausforderungen gilt es, zu meistern.
Die Lösung: Aufbau eines modularen CAELUS-Ökosystems aus Anwendungen, die für die jeweilige Phase zugeschnitten sind. So stehen je nach Projektabschnitt spezifische Funktionen bereit.
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Die Zusammenarbeit mit EuroCC Austria war eine herausragende Erfahrung. Der Austausch mit so kompetenten und engagierten Experten ist für ein junges Startup wie unseres von unschätzbarem Wert. Die Unterstützung des EuroCC-Teams hat uns motiviert, ständig über uns hinauszuwachsen und neue Meilensteine zu erreichen.
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Das EU-Projekt EuroCC ermöglicht es Start-ups und KMU, europäische Supercomputer zu nutzen, um kostenlos erste Simulationen zu rechnen oder KI-Modelle zu trainieren. So erhielt CAELUS Zugang zum österreichischen Supercomputer VSC (Vienna Scientific Cluster) und nahm anfänglich auch den technischen Support in Anspruch. Nach dieser Einschulung trainierte das Team von CAELUS sein Modell großteils selbstständig.
Durch das kostenlose Nutzen des VSC konnte das Start-up zwischen 200.000 bis 700.000 Euro sparen, schätzt Lorenzo Tomassetti, Head of AI bei CAELUS, da keine eigenen Server angeschafft werden mussten, und keine Energie- oder Cloudkosten anfielen. Darüber hinaus war es dem Team möglich, durch die Arbeit am VSC die Trainingszyklen um 40 Prozent zu verkürzen, was einen schnelleren Markteintritt bedeutete.
„Die Zusammenarbeit mit EuroCC Austria war eine herausragende Erfahrung“, sagt Lorenzo Tomassetti. „Der Austausch mit so kompetenten und engagierten Experten ist für ein junges Startup wie unseres von unschätzbarem Wert. Die Unterstützung des EuroCC-Teams hat uns motiviert, ständig über uns hinauszuwachsen und neue Meilensteine zu erreichen.“
Das Team des Deep-Tech-Software-Start-ups CAELUS S.r.l. folgt einer großen Vision: Es möchte neue Energielösungen mit Hilfe generativer KI rascher umsetzen als bisher. Dafür entwickelt es KI-Modelle, die zeit- und kostenintensive dokumentenlastige Prozesse in stark regulierten Industrien vereinfachen. Der besondere Fokus liegt auf nuklearen Energieprojekten.
Die Tools von CAELUS sind auf die Bedürfnisse der Fachleute im Nuklearsektor zugeschnitten: Reaktordesigner, Versorgungsunternehmen, Bau- und Planungsfirmen, Projektentwickler und Zulieferer.
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