Weniger CO2 in der Schifffahrt
Weniger CO₂ in der Schifffahrt: Griechisches Start-up revolutioniert die maritime Wettervorhersage
Viele Menschen empfinden das Meer als Oase der Gelassenheit und Erholung. Doch die Schifffahrtsindustrie sieht in ihm häufig eine Quelle überraschender, wetterbedingter Unruhe. Diese macht Routenänderungen notwendig, was viel Sprit verbraucht, zu hohen Kosten führt und die Umwelt schädigt. Das griechische Start-up AlongRoute hat mit Hilfe von EuroCC Austria ein KI-Modell für das Mittelmeer entwickelt, das bisherige Wettervorhersagemodelle in den Schatten stellt und hilft, sowohl Budgets als auch die Umwelt zu schützen.
Bettina Benesch
Fast drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entfallen auf den Seeverkehr, leider mit einer gefährlichen Tendenz: Die Prognosen gehen von einer Vervierfachung dieses Wertes in weniger als 30 Jahren aus. Es gibt allerdings eine effiziente Möglichkeit, um Emissionen zu reduzieren, nämlich ungünstige Wetterereignisse möglichst früh zu erkennen, die Schiffsrouten entsprechend anzupassen und somit Treibstoff zu sparen. Das wird seit geraumer Zeit versucht – allerdings haben die derzeitigen wetterbasierten Systeme eine große Schwachstelle: Ihre Vorhersagen sind ungenau. Sie schaffen es nicht, die komplexe und chaotische Natur des Ozeans akkurat wiederzugeben.
Es braucht also bessere marine Wettervorhersagemodelle. So entstand beim griechischen Start-up AlongRoute die Idee, genau solche Modelle zu entwickeln, um sie Software-Firmen zur Verfügung zu stellen, die wetterbasierte Systeme zur Routenoptimierung anbieten. AlongRoute kooperierte dafür mit dem griechischen AI-Entwickler Neuralio.

„Die Herausforderung bestand darin, die Genauigkeit ozeanografischer Vorhersagen zu verbessern, insbesondere die Vorhersage der signifikanten Wellenhöhe, um maritime Operationen zu optimieren“, sagt Vasilis Alexandridis, Technischer Leiter bei AlongRoute. Die signifikante Wellenhöhe (SWH) ist ein wichtiger Wert für die Schifffahrt: Wird sie akkurat vorhergesagt, können Kapitäne die Route ändern, Schiffe und Crew vor Schäden schützen und extremen Kraftstoffverbrauch vermeiden.
Training eines KI-Modells auf Österreichs Supercomputer VSC-5
Das Team von AlongRoute forschte an einem zuverlässigen KI-Modell und trainierte einige Modelle zuerst auf verschiedenen Servern, unter anderem in der Cloud. Doch bald waren die Grenzen dieser Rechner erreicht: Mit über 500 Millionen Messwerten kamen die Computer nicht mehr klar. So übersiedelte das Projekt auf den österreichischen Hochleistungsrechner VSC-5. Er ist seit 2022 in Betrieb und gehört zu den 500 schnellsten Supercomputern weltweit. Das Training erfolgte auf zwei NVIDIA A100 GPUs mit je 512 GB RAM und wurde in etwa 13 Stunden und 50 Minuten abgeschlossen.
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Durch die Nutzung des Supercomputers konnten wir die KI-Arbeitslast optimieren. Wir hatten mehrere GPUs zur Verfügung und konnten die Aufgaben verteilt parallel berechnen, was den Prozess deutlich beschleunigt hat.
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“Durch die Nutzung der Superpower des VSC-5-Supercomputers konnten wir die KI-Arbeitslast optimieren, denn es war möglich, fortschrittliche Funktionen wie Tensor Cores für schnellere Matrixoperationen zu verwenden. So konnten große Datensätze effizienter verarbeitet werden“, erklärt Vasilis Alexandridis. „Zudem hatten wir mehrere GPUs zur Verfügung und konnten die Aufgaben verteilt parallel berechnen, was den Prozess deutlich beschleunigt hat. Die Verarbeitungszeit reduzierte sich zusätzlich durch den großen Speicher, auf dem wir den gesamten Datensatz verarbeiten konnten. Bei kleineren GPUs führten Speicherengpässe dazu, dass der Datensatz aufgeteilt werden musste, was viel Zeit gekostet hat.“
Training mit Daten aus dem Mittelmeer
Das Team testete verschiedene Modelle und entschied sich für einen Hybrid aus Graph Neural Networks (GNN) und Gated Recurrent Units (GRU). AlongRoute entwickelte Modelle für Vorhersagen zur signifikante Wellenhöhe im Mittelmeer, mit einem Zeithorizont von sechs, zwölf, 18 und 24 Stunden. Das Sechs-Stunden-Modell erwies sich als das stabilste und genaueste. Allerdings sind auch die Ergebnisse der anderen Modelle vielversprechend und die Entwickler:innen sind sicher, dass es künftig möglich sein wird, Vorhersagen auch über längere Zeiträume zu erstellen.
Für das Training des Modells wurden ozeanografische und atmosphärische Daten des Copernicus Marine Environment Monitoring Service (CMEMS) und des Copernicus Data Store (CDS) verwendet, die langfristige und konsistente Datensätze lieferten. Das Team entschied sich, mit Daten des Mittelmeerraums zu arbeiten, da sie hochauflösend vorhanden waren und sich die geschlossene Meeresumgebung gut zur Simulation eignet.
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Das Bestimmtheitsmaß (R²) gibt an, wie gut das Modell zu den Daten passt. Ein R²-Wert von 0,98 bedeutet, dass das Modell 98 % der Schwankungen in der Wellenhöhe erklären kann. Es liefert also sehr präzise Vorhersagen.
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Neues Modell liefert sehr genaue Vorhersagen
Die Ergebnisse sind beeindruckend: Das Modell erreichte einen mittleren absoluten Fehler von 0,0071 im Testdatensatz (Mean Absolute Error - MAE). MAE misst, wie weit die Vorhersagen im Durchschnitt von den tatsächlich beobachteten Wellenhöhen abweichen. Für das neue Modell bedeutet das: Der Unterschied zwischen der vorhergesagten Wellenhöhe und der realen Wellenhöhe betrug sieben Millimeter. Auch außerhalb des Trainingszeitraums* waren die Ergebnisse erfreulich, denn das Modell konnte erfolgreich Wellenmuster vorhersagen und erfasste Hochwellenbedingungen mit einem durchschnittlichen MAE von 34 Zentimetern.
Das Bestimmtheitsmaß (R²) betrug 0,98 im Testdatensatz, was hohe Genauigkeit und Effizienz belegt. R² gibt an, wie gut das Modell die Variabilität der Daten erklärt. Es reicht von Null bis Eins: Null bedeutet, dass das Modell keinerlei Variabilität in den Daten erklärt, Eins weist darauf hin, dass das Modell die gesamte Variabilität perfekt abbildet (also eine perfekte Anpassung). „In unserem Fall bedeutet der Wert von 0,98, dass das Modell 98 Prozent der Veränderungen und Muster in der Wellenhöhe erklärt“, sagt Vasilis Alexandridis.
Ergebnisse übertreffen bisheriges Vorhersagesystem
Die Ergebnisse übertrafen die Vorhersagen des bereits existierenden Copernicus Marine Environment Monitoring Service (CMEMS), insbesondere bei rauen Bedingungen mit hohen Wellen von über einem Meter. Zudem erzielte das Modell eine um sieben Prozent bessere Anpassung der Regressionslinie. Die Regressionslinie ist eine mathematische Gerade, die zeigt, wie gut die vorhergesagten Werte mit den echten Messwerten übereinstimmen. Wenn die Vorhersagen perfekt wären, würde jeder Datenpunkt genau auf dieser Linie liegen. Die um sieben Prozent bessere Anpassung bedeutet, dass die Vorhersagen des KI-Modells genauer mit den echten Wellenhöhen übereinstimmen als die Vorhersagen des CMEMS.
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Die Ergebnisse dieses Projekts haben eine transformative Wirkung auf unser Unternehmen, sowohl in technologischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Marktanpassung.
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„Die Ergebnisse dieses Projekts haben eine transformative Wirkung auf unser Unternehmen, sowohl in technologischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Marktanpassung“, sagt Vasilis Alexandridis. „Das Projekt mit EuroCC Austria führte zur Entwicklung eines hochpräzisen und effizienten KI-basierten maritimen Wettervorhersagemodells für das Mittelmeer. Es ist nun voll einsatzfähig und wir können präzise Seewetterprognosen für unsere Hauptkunden bereitstellen, nämlich für maritime Softwareunternehmen, die wetterbasierte Routenoptimierungssysteme anbieten.“
Erstes Pilotprojekt mit VesselFront
Genau ein solches Unternehmen kooperiert derzeit mit AlongRoute: Anfang 2025 hat das Start-up einen Vertrag für ein Pilotprojekt mit VesselFront unterzeichnet, einem Unternehmen, das Systeme zur Routenoptimierung anbietet. AlongRoute stellt dabei marine Wetterdaten für den Atlantik, den Indischen Ozean und das Mittelmeer zur Verfügung, die direkt in die Navigationssysteme der Schiffe eingespeist werden.
„Die Zusammenarbeit mit EuroCC Austria war eine wirklich revolutionäre Erfahrung für unser Team. Der Zugang zu HPC-Ressourcen ermöglichte es uns, unsere KI-Modelle effizient zu trainieren und bahnbrechende Fortschritte in der maritimen Wettervorhersage zu erzielen. Das Fachwissen und der kollaborative Ansatz des Teams waren entscheidend für die Beschleunigung unserer Forschung an unserer Lösung“, so Vasilis Alexandridis.
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Die Zusammenarbeit mit EuroCC Austria war eine wirklich revolutionäre Erfahrung für unser Team. Der Zugang zu HPC-Ressourcen ermöglichte es uns, unsere KI-Modelle effizient zu trainieren und bahnbrechende Fortschritte in der maritimen Wettervorhersage zu erzielen. Das Fachwissen und der kollaborative Ansatz des Teams waren entscheidend für die Beschleunigung unserer Forschung an unserer Lösung.
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* Der Trainingszeitraum ist jener Zeitraum, in dem das KI-Modell mit Daten (Testdatensatz) gefüttert und trainiert wird, damit es lernt, später die Wellenhöhen vorherzusagen. Das Modell sieht in dieser Phase viele Beispiele aus der Vergangenheit und kann daraus Muster in den Wellenbewegungen erkennen. Richtig spannend wird es aber erst dann, wenn das Modell fertig trainiert ist und unbekannte Probleme eigenständig lösen soll. Es befindet sich dann außerhalb des Trainingszeitraums. Diese Phase wird Generalisierung genannt.
Über Along Route
AlongRoute Data I.K.E. entwickelt fortschrittliche KI-Modelle, die in der Lage sind, kritische ozeanografische Parameter wie Wellen, Wind und Strömungen mit deutlich höherer Genauigkeit als bestehende Lösungen vorherzusagen. Kund:innen des Start-ups sind maritime Softwareunternehmen, die Routenoptimierungssysteme für die Schifffahrt anbieten. Eine verbesserte Wettervorhersage ermöglicht der Industrie, vor extremen Wetterereignissen frühzeitig auf alternative Routen auszuweichen und so Kraftstoff zu sparen und Schäden zu vermeiden. Dies nützt nicht nur der Industrie, sondern auch der Umwelt, da weniger CO2-Emissionen entstehen.
Kontakt
Vasilis Alexandridis: vasilis@alongroute.com